Novartis (Pharmaunternehmen)
Novartis (von latetinisch: novae artes „neue Künste“) ist ein Pharmaunternehmen mit Sitz in der schweizer Stadt Basel. Das Unternehmen war im Jahr 1996 aus einer Fusion der ehemaligen Pharmaunternehmen Ciba-Geigy AG und Sandoz hervorgegangen. Es ist das derzeit größte Pharmaunternehmen mit den weltweit höchsten Investitionen in Forschung und Entwicklung.[1]
Die zur Behandlung von ADHS vorgesehenen, Methylphenidat-haltigen Stimulanzien der Ritalin-Gruppe zählen zu den wichtigsten Produkten des Konzerns.[2] Mit Ritalin setzte der Konzern im Jahr 2013 knapp 600 Millionen US-Dollar um.[3]
ADHS-Medikamente
Ritalin
Das Unternehmen Ciba-Geigy war das erste Pharmaunternehmen, das mit Ritalin ein Methylphenidat-haltiges Präparat auf den europäischen Markt brachte. Heute existiert eine Reihe unterschiedlicher Ritalin-Präparate, die sich in den Eigenschaften Wirkstofffreisetzung, Zusammensetzung und Freigabe unterscheiden:
- Ritalin
- Ritalin SR (Retardpräparat)
- Ritalin LA (Retardpräparat)
- Ritalin Adult (Erwachsene, Retardpräparat)
Focalin XR
In den USA und in der Schweiz vertreibt Novartis das Dexmethylphenidat-Präparat Focalin XR. In der Schweiz sind Wirkstoffkonzentrationen von 5 mg bis 20 mg erhältlich, in den USA bis zu 40 mg. Zulassungsinhaber in der Schweiz ist die Novartis Pharma Schweiz AG. Focalin XR kann per Import auch in Deutschland bezogen werden, wobei mit zwei- bis dreifach höheren Preisen gerechnet werden muss.
Entdeckung und Markt-Etablierung von Ritalin
Als Entdecker des Methylphenidat, dem Wirkstoff von Ritalin, gilt der Basler Chemiker Leandro Panizzon.[4] Panizzon war Mitarbeiter von Ciba und zum Zeitpunkt seiner Entdeckung 37 Jahre alt. Er stellte den Wirkstoff durch eine Synthetisierung aus Phenylacetonitril und 2-Chlorpyridin her.[5] Wie zu dieser Ziet üblich, testete Panizzon den neuen Wirkstoff an sich selbst. Nachdem der Wirstoff bei ihm selbst keine besondere Wirkung zeigte, beschloss er, ihn an seiner Frau, Marguerite Panizzon, zu testen, die an niedrigem Blutdruck litt. Panizzon hatte die Vermutung, dass die neu entdeckte Verbindung bei seiner Frau positive Wirkungen zeigen könnte. Marguerite berichtete nach dem Tennisspiel über eine deutlich zu vernehmende Leistungssteigerung, die offenbar mit der Einnahme von Methylphenidat eihnerzugehen schien. Im Anschluss taufte Leandro Panizzon den neu entdeckten Wirkstoff als Ritalin, eine Anspielung auf den Kosenamen Rita seiner Frau Marguerite.
Im Jahr 1950 ließen Panizzon und Max Hartmann ein verbessertes Herstellungsverfahren von Methylphenidat in den Vereinigten Staaten patentieren (US-Patent-Nummer 2507631).[6] Methylphenidat wurde zunächst intravenös zur Behandlung von Barbituratvergiftungen eingesetzt.[7] 1954 wurde es unter dem Handelsnamen Ritalin als Mittel zur Behandlung von psychiatrischen Störungen von Ciba patentiert. 1955 wurde Ritalin zur Behandlung zahlreicher Indikationen vorgestellt und zugelassen, darunter Depressionen, Müdigkeit und Narkolepsie. Im Jahr 1957 erfolgte die Markteinführung in Europa.
In den 1960er Jahren konnten eine erste placebokontrollierte Studie sowie vier weitere Untersuchungen belegen, dass Methylphenidat positive Wirkungen bei Symptomen der Impulsivität, Hyperaktivität sowie Aufmerksamkeitsstörungen hat. Im Jahr 1968 untersuchte der Kinderneurologe J. Gorden Millichap die Wirksamkeit von Methylphenidat im Vergleich zu Amphetaminen und kam zum Schluss, dass Methlyphenidat zur Behandlung der betreffenden Symptome bei Kindern und Jugendlichen „Mittel der Wahl" sei. Von den 337 Patienten zeigten 84 % Symptomverbesserungen nach Gabe von Methylphenidat. Dem gegenüber standen 69 % der 415 Patienten mit gebesserten Symptomen nach Gabe von Amphetaminen.[8] 20 Jahre nach der Patentierung erlosch das Patent am Wirkstoff Methylphenidat.
Während der Gültigkeitsphase des Patents verzeichnete Ciba vergleichsweise geringe Absatzzahlen mit dem Präparat. Zwar sind die Wirkungen von Amphetaminen auf hyperaktive und impulsive Verhaltensstörungen bereits seit den 1930er Jahren beschrieben und Kinder und Jugendliche mit Verhaltensstörungen werden bereits seit 1937 mit Psychostimulanzien behandelt, allerdings erfuhr das Präparat seinen massiven Absatzanstieg erst nach der erstmaligen Definition der ADHS als eigenständiges Störungsbild in den 1980er Jahren. Im Jahr 1993 wurden in Deutschland 34 Kilogramm Methylphenidat abgesetzt, im Jahr 2009 bereits 1,7 Tonnen, was einem Verschreibungsanstieg um 700 % entspricht. In den USA verzeichnete die DEA bereits in den 1990er Jahren einen Absatzanstieg über 500 % von 1990 bis 1996.[9] Seit dem Erlöschen des Patents wird Methylphenidat unter zahlreichen Handelsnamen (Generika) und Variationen (zum Beispiel Retardpräparate oder Pflaster) unterschiedlicher Hersteller vertrieben.
Ritalin-Printwerbung im zeitlichen Verlauf
Methylphenidat bzw. Ritalin wurde seit den 1950er Jahren zunächst für Depressionen und Müdigkeit beworben. Erst als im Jahr 1966 die sogenannte Minimale Cerebrale Dysfunktion definiert wurde - dabei handelte es sich um einen nomenklatorischen Vorläufer von ADHS - stellte man das Marketing großzügig auf Kinder und Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten um.[10] Wenige Jahre später erlosch das Patent am Wirkstoff Methylphenidat.
→ Siehe auch: Pharmaindustrie - Pharmamarketing und Vermarktung von ADHS-Medikamenten.
Ritalin wird als Mittel zur Behandlung von Depressionen. Müdigkeit und Antriebslosigkeit beworben (Ciba, 1957)
Ritalin zur Depressionsbehandlung (Ciba, 1958)[11]
Ciba wirbt in den 1960er Jahren für Ritalin als Mittel zur Behandlung des chronischen Erschöpfungssyndroms und leichter Depressionen
In den 1970er Jahren gibt Ciba an, dass Ritalin „eine wichtige Rolle bei der Heilung der MCD spielen kann“. Abgebildet ist ein weinender Schuljunge
Ciba bewirbt das Retardpräparat Ritalin SR
Sponsoring, Honorare und Förderungen
Novartis spendet regelmäßig an das Zentrale ADHS-Netz.[12]
Des Weiteren erhielten die folgenden ADHS-Experten Honorare von Novartis unter anderem für Beratungen, Vorträge und/oder Beteiligungen an CME-Förderungen:
Deutschland
Vereinigte Staaten
- Novartis ist Sponsor des US-amerikanischen ADHS-Verbands CHADD. Die Höhe der Zuwendungen seit den 1990er Jahren liegt im Millionenbereich.[13]
- Der US-amerikanische ADHS-Experte Russell Barkley erhielt Zuwendungen von Novartis.[14]
- Joseph Biederman erhielt Honorare von Novartis. Neben Zuwendungen auch anderer Pharmaunternehmen hatte er diese zunächst verschwiegen.[15]
Kritik
Ritalin-Sammelklagen
Im Jahr 2000 wurde vom US-amerikanischen Anwaltsbüro Waters & Kraus eine Klageserie unter anderem gegen Novartis angestoßen. Dabei handelte es sich um insgesamt fünf Klagen in Kalifornien, Texas, Florida, New Jersey und Puerto Rico, in denen dem Unternehmen zum Vorwurf gemacht wurde, es sei gemeinsam mit dem Selbsthilfeverband CHADD und der APA an der „Erfindung der Krankheit ADHS“ maßgeblich beteiligt gewesen, um den Absatz von Ritalin in die Höhe zu treiben.
Bis 2002 wurden alle fünf Klagen letztlich abgewiesen oder zurückgezogen.[16]
→ Siehe auch Hauptartikel: Ritalin-Sammelklagen.
Andere Pharmaunternehmen
Weblinks
- Offizielle Homepage
- Informationsportal ADHS-Information.de
Siehe auch
Weitere interessante Artikel
- Subtypen
- Pharmaindustrie
- Autogenes Training
- Roy Murphy
- Entwicklung der ADHS
- Wo die starken Kerle wohnen (Lehrfilm)
- Frühe Zeichen, frühe Hilfen - ADHS im Säuglings- und Vorschulalter (Dokumentation)
- Impulsivität
- Keine Zeit für Träume (Spielfilm)
- Advisory Board
- Pellet
- DL-Amphetamin
- Weg von den Pillen mit Neurofeedback (Reportage)
- Zukunftsbündnis ADHS (Pharmakampagne)
- Zentrales ADHS-Netz
- Juvemus e.V.
- DRD1
- Astrid Neuy-Lobkowicz
- Falling Letters (Trickfilm)
- Stigmatisierung und ADHS
- Ruhig gestellt und angepasst (Reportage)
- Russell Barkley
- TPH-1
- The Indigo Evolution (Dokumentation)
- Cordula Neuhaus
- ADHS-Studie - Zu voreilige Diagnosen? (Kurzbeitrag)
- Reframing
Einzelnachweise
- ↑ http://www.strategyand.pwc.com/global/home/what-we-think/innovation1000/top-innovators-spenders#/tab-2015
- ↑ http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/ritalin-die-karriere-einer-pille-1459215.html
- ↑ http://bazonline.ch/wissen/medizin-und-psychologie/Das-MilliardenGeschaeft-mit-Ritalin/story/18426524
- ↑ vgl. nachfolgender Absatz: https://goo.gl/14dcJY
- ↑ Panizzon L. La preparazione di piridil-e piridilarilac – tonitr ilie di alcuni prodotti transformazione (part la). Helv Chim Acta 1944; 2: 1748-56.
- ↑ http://inhn.org/drugs/methylphenidate.html
- ↑ Rosenberg DG, Rape WC, Rumble LJ. Parenteral mehylphenidate administration HCl (Ritalin) in barbiturate intoxication. J Med Assoc Ga 1959; 48: 19-21.
- ↑ https://goo.gl/UQ7EAS
- ↑ http://www.add-adhd.org/ritalin.html
- ↑ https://www.freidok.uni-freiburg.de/fedora/objects/freidok:1654/datastreams/FILE1/content
- ↑ http://www.bonkersinstitute.org/medshow/ritalinbaby.html
- ↑ http://www.zentrales-adhs-netz.de/ueber-das-netz/foerderung.html
- ↑ http://www.chadd.org/Default.aspx?Section=Reports1&Template=/CM/ContentDisplay.cfm&ContentID=1771
- ↑ http://naceonline.com/N0729.php
- ↑ https://gesundheit.blogger.de/stories/1145969/
- ↑ http://web.archive.org/web/20050317092350/http://gradda.home.isp-direct.com/sp01chad.html