ADHS und Straßenverkehr
Dieser Artikel beinhaltet das Thema Straßenverkehr im Zusammenhang mit ADHS. Allgemeine Informationen über die Störung finden Sie unter Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
ADHS ist fahrerlaubnisrechtlich nicht als Ausschlusskriterium berücksichtigt, obwohl anzunehmen ist, dass je nach Schweregrad einige der zentralen Leistungsfunktionen Einschränkungen unterliegen, die für die Teilnahme am Straßenverkehr vorausgesetzt sind. ADHS-Betroffenen wird die Fahrerlaubnis statistisch etwa doppelt so häufig entzogen.[1]
Gefahren und Probleme
Studien zeigen, dass sich unter ADHS-Betroffenen Hochrisikobetroffene befinden, welche bedingt durch ihre schwer ausgeprägte Symptomatik im Straßenverkehr besonders hohen Unfallrisiken ausgesetzt sind.[2] Hochrisikofahrer neigen zu einer besonders impulsiven und riskanten Fahrweise. Schwer- und Schwerstbetroffene weisen zudem häufiger Komorbiditäten (Depressionen, Angststörungen) auf, welche riskantes oder unvorsichtiges Verhalten im Straßenverkehr weiter begünstigen können.
Ferner erhalten Verkehrsteilnehmer mit ADHS drei- bis fünfmal häufiger Strafzettel und begehen häufiger Ordnungswidrigkeiten als Erwachsene ohne ADHS. Dies betrifft sowohl Geschwindigkeitsüberschreitungen, als auch falschparken.[3] Auch vergessen Betroffene häufig, sich während des Autofahrens anzuschnallen (siehe auch Sterblichkeit bei ADHS).
Vereinzelt geben Betroffene an, dass Sie sich beim Fahren mit höheren Geschwindigkeiten besser konzentrieren können, da es ihnen dann gelinge, durch das erhöhte Stresslevel ein höheres Konzentrationsnvieau (bzw. einen Hyperfokus) zu erreichen und aufrechtzuerhalten:
„Es ist mir schon oft passiert dass ich teilweise nach Kilometern aus einem Tagtraum erwacht bin und eine Sekunde gebraucht habe, um mich zu erinnern, auf welcher Strasse ich mich gerade befinde. Daher verpasse ich oft Ausfahrten. Diese Unkonzentriertheit kann ich kompensieren, indem ich riskanter fahre und Geschwindigkeitsbegrenzungen überschreite.“[4]
Rebound-Effekt
Zu berücksichtigen ist, dass die Symptome mit den Folgen des sogenannten Rebound-Effekts bei absteigendem Plasmaspiegel wieder verstärkt auftreten können. Dies betrifft insbesondere die Medikation mit Methylphenidat. Sollen im Rahmen der Therapie Medikamente eingenommen werden, so empfiehlt sich insbesondere in der Titrationsphase ein Ausweichen auf ein Retard-Medikament, um diesem Effekt während des Fahrens vorzubeugen.[5]
Medikation
Vereinzelte Untersuchungen weisen auf deutlich verbesserte Fahrleistungen unter medikamentös behandelten ADHS-Patietnen mit Methylphenidat sowie Cannabis hin[6].
Rechtslage zur Teilnahme am Straßenverkehr
Psychopharmaka
Methylphenidat ist in der Anlage des § 24a StVG nicht aufgeführt. Liegt eine Verschreibung vor, ist das Führen von Kraftfahrzeugen unter Methylphenidat vom Gesetzgeber in Deutschland nicht untersagt. Dies setzt jedoch voraus, dass die Fahrtüchtigkeit durch das Medikament nicht eingeschränkt ist, was innerhalb der Einstellungsphase der Pharmakotherapie der Fall sein kann.[7]. Auch kann die Fahrtüchtigkeit bei Eintreten des Rebound-Effekts eingeschränkt sein. Um etwaigen Komplikationen, etwa bei Polizeikontrollen, vorzubeugen, kann ein eingelöstes Rezept oder ein spezieller Betäubungsmittelausweis mitgeführt werden. Hierzu besteht jedoch keine Verpflichtung. Für Auslandsreisen gelten besondere Bestimmungen.
Anders stellt sich die Sachlage im Falle eines Verkehrsunfalls dar: Kann einem Patienten im Zuge der Unfallaufnahme Methylphenidat im Blut nachgewiesen werden, wird unabhängig von der vorliegenden Ausnahmeregelung sowie von der gemessenen Konzentration ein Strafermittlungsverfahren eingeleitet, wobei mit einem Entzug der Fahrerlaubnis gerechnet werden muss (§69 StGB),[8] wobei im Rahmen des Strafverfahrens zu klären ist, inwieweit der festgestellte Wert in einem Kausalzusammenhang mit den festgestellten Auffälligkeiten oder mit dem Unfallgeschehen steht.
Medizinisches Cannabis
Siehe auch Hauptartikel: Medizinisches Cannabis
Mit medizinischem Cannabis behandelte Patienten müssen bei einer Feststellung von THC im Rahmen einer Verkehrskontrolle nicht mit Strafe rechnen. Gemäß §24a Abs.2 Satz 2 StVG liegt keine Ordnungswidrigkeit vor, sofern die Substanz der ärztlichen Verordnung entsprechend eingenommen wurde.[9][10] Beispielsweise darf das Medikament nicht überdosiert eingenommen worden sein.
Anders stellt sich dies im Falle eines Verkehrsunfalls dar: Kann einem Cannabis-Patienten im Zuge der Unfallaufnahme THC im Blut nachgewiesen werden, wird unabhängig von der vorliegenden Ausnahmeregelung sowie von der gemessenen THC-Konzentration ein Strafermittlungsverfahren eingeleitet, wobei mit einem Entzug der Fahrerlaubnis gerechnet werden muss (§69 StGB),[11] wobei im Rahmen des Strafverfahrens zu klären ist, inwieweit der festgestellte THC-Wert in einem Kausalzusammenhang mit den festgestellten Auffälligkeiten oder mit dem Unfallgeschehen steht.[12] Eine Verpflichtung zum Nachkommen eines Urin-Schnelltests im Rahmen einer polizeilichen Verkehrskontrolle besteht überdies nicht, dieser kann straffrei verweigert werden.[13]
Sonstiges
Das Ergebnis einer Pilotstudie der University of Virginia weist darauf hin, dass sich das Führen eines Fahrzeugs mit manuellem Schaltgetriebe positiv auf die Aufmerksamkeit und Fahrleistungen ADHS-Betroffener auswirken könnte.[14]
Siehe auch
Studien und wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
- Zum Zusammenhang von ADHS und Alkoholdelikten im Straßenverkehr (PDF)
- ADHS und Straßenverkehr (PDF)
- Teilnahme am Straßenverkehr und Psychopathologie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (PDF)
Englisch
Weblinks
- Ärzteblatt (21. Mai 2019): Teenager mit ADHS häufiger an Autounfällen beteiligt
- Kompendium psychiatrische Pharmakotherapie (2017): ADHS-Medikation – Reduktion des Unfallrisikos bei Patienten mit ADHS, 27. Oktober 2017
Weitere interessante Artikel
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- Adam Alfred
- Ätiologie
- Rückversicherungsverhalten
- Sterblichkeit bei ADHS
- Chaos im Kopf (Spielfilm)
- Selbstwahrnehmung von ADHS-Betroffenen
- BDNF
- Stationäre Therapie
- Kinecteen
- Pharmaindustrie
- Darius Krutzek
- ADHS und Schlaf (Talksendung)
- Diagnostik
- Guanfacin
- ADHS bei Erwachsenen: ein neuer Pharma-Markt? (Reportage)
- Joseph Biederman
- Gerhard Lauth
- Nick & Tim - Nick hat ADHS (Dokumentation)
- Astrid Neuy-Lobkowicz
- KiTAP
- Do 4.2 Million Children Really Need Ritalin? (Vortragsmitschnitt, englisch)
- ADHS und Übergewicht
- ADHS in der Gesellschaft
Quellen
- ↑ "Fall Creek Associates - ADHD and Risk of Injuries
- ↑ "Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 37 (5), 2009, S. 410"
- ↑ Russel A. Barkley - Das große Handbuch für Erwachsene mit ADHS, S.279
- ↑ Kommentar aus der Praxis von Hans-Heiner Decker
- ↑ "Rebound Effects with Long-Acting Amphetamine or Methylphenidate Stimulant Medication Preparations among Adolescent Male Drivers with Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder"
- ↑ http://www.adhs.org/rechtlich/#ue3
- ↑ "Gesetze-Im-Internet - § 24a StVG"
- ↑ http://dejure.org/gesetze/StGB/69.html
- ↑ http://www.burhoff.de/insert/?/veroeff/aufsatz/zap_f9_s781.htm
- ↑ http://archiv.hanfjournal.de/hajo-website/artikel/2011/133_juli/s03_0711_theo_reetig.php
- ↑ http://dejure.org/gesetze/StGB/69.html
- ↑ vgl. http://archiv.hanfjournal.de/hajo-website/artikel/2011/133_juli/s03_0711_theo_reetig.php
- ↑ https://www.lawblog.de/index.php/archives/2012/06/14/polizei-macht-urintests-am-straenrand/
- ↑ "Manual transmission enhances attention and driving performance of ADHD adolescent males: pilot study"